Guter Weg

 

 

Rrumms – Ruckel - Spritzzz…

Was wie ein Comic beginnt, finde ich gar nicht komisch! Der Matsch spritzt die Seitenscheibe hoch, die Windschutzscheibe erlaubt eh nur eingeschränkte Sicht. Mal sehen, wie lange die Wischer das noch mitmachen…

Und dort kommt schon das nächste Loch. Ich muss mich entscheiden, ob ich meine Geschwindigkeit dem rasanten Tempo politischer Veränderungen in Griechenland anpasse oder – in dieser Miniatur-Ägäis, die sich nach dem Tauwetter gebildet hat –, noch langsamer fahre, um möglichst unbeschadet von Insel zu Insel zu gelangen. Die Untiefen sind nicht einzuschätzen. Dabei ist es eine Hauptstraße, auf der ich mich befinde. Neudeutsch: Mainstreet. Es ist kein Geld für Reparaturen im Etat, der eine „Schwarze Null“ ausweist, wie der Finanzminister unlängst stolz verkündete. In meiner Hauptstadt, „The Capital“, in der ich wohne, ist wegen der Sparpolitik kein Kapital für Straßen und Wege verfügbar. Fehlt es etwa wegen der Unsummen an Milliarden-Krediten für Portugal, Spanien, Irland und Griechenland?

Dort ist man auf gutem Wege, wird mir täglich erklärt. Was ich übrigens – bis auf Irland, dort war ich bisher noch nie –, bestätigen kann. In den letzten Jahren war ich im Urlaub mal hier, mal dort in besagten Ländern, und … fuhr tatsächlich stets auf properen Straßen. In abgelegenen Gegenden Kretas sah ich nagelneue Straßen, auf denen nie jemanden fuhr, was natürlich nicht ausschließt, dass tatsächlich drauf gefahren wird, wenn ich zufällig mal nicht hinguckte. Aber so eine Straße für die paar Männeken? Da dachte ich hin und wieder: „Bow – Nicht schlecht, Herr Specht!“

Schon immer waren die Griechen pleite! Aktuell haben sie Schulden ohne Ende, machen ständig neue und haben deshalb gerade sozialistisch gewählt. Die neue Regierung will keine Schulden mehr machen und die gemachten Schulden vielleicht nicht zurückzahlen? Dann will die Regierung auch wieder mehr Leute in den Staatsdienst übernehmen, die Renten erhöhen und den Mindestlohn raufsetzen. Mehr mit wenigem. Das klingt irgendwie geheimnisvoll!

Während ich bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 10/kmh durch die Schlaglöcher patsche, was meine Start-Ziel-Fahrt deutlich um das Vielfache verlängert, beschließe ich, mir die Zeit mit folgenlosen Überlegungen zu vertreiben:

Klug heißt es: Der Weg ist das Ziel – oder war es umgekehrt? Ist das Ziel gut, kann der Weg getrost auch schlecht  sein. Bedeutet ein guter Weg zugleich auch ein gutes Ziel? Wie würde es andersherum aussehen: Kann auf schlechtem Weg je ein gutes Ziel erreicht werden? Muss in einen Weg investiert werden, damit er gut wird? Wenn für den Weg kein Geld vorhanden ist, das Ziel aber überzeugend gut erscheint … bekäme man dafür Kredit? Es heißt doch: Eine gute (Geschäfts-) Idee erhöht die Chance auf Kredit bei der Bank. Die Bank verspricht sich die Rückzahlung des Kredits und darüber hinaus die Bezahlung der Zinsen. So ist jedenfalls das Modell. Wenn ich versuche das Modell auf Griechenland zu übertragen, übersehe ich schnell das eine oder andere Schlagloch, so kompliziert kommt mir das plötzlich vor…

Heute, wird behauptet, geht’s den Griechen angeblich so schlecht wie noch nie. Durch Schuldenrückzahlungen werden sie dermaßen gebeutelt, hoffnungslos niedergedrückt, dass besonders wir in Deutschland, gemeinsam mit unserer Kanzlerin, dieser Nationalsozialistin! beschämt auf den Boden blicken müssten, was wir – in The Dog-Capital – besser unterlassen, um unsere Blicke nicht in Hundescheiße zu versenken.

Denn wir – die wir gerne für knappes Geld auf den kahlen griechischen Inseln Zuflucht und Erholung von unserer Sparerei suchten und suchen  – sind es doch, die die bedrückenden Zustände in Griechenland zu verantworten haben. Waren wir nicht bereits früher verpflichtet, als es den Griechen noch besser ging, mehr Geld dort auszugeben? Ein Mehr hätten wir denen bieten müssen für die spartanischen Unterkünfte und das landestypisch lauwarme, fette Essen? Wäre es nicht ein Muss gewesen, damit die Griechen ihre Zukunft – das Heute – hätten besser gestalten können? Nö, da haben wir ihre Gutmütigkeit schamlos ausgenutzt, ihren Ouzo gesoffen und uns wohl gefühlt, in den rumpeligen Häuschen mit abblätternder Farbe, den begehrten Fotomotiven von Einfach- und Bescheidenheit… Und nun haben wir den Choriatiki!

Einige behaupten, die Griechen hätten ihre „Hausaufgaben“ früher schon gründlicher machen müssen, statt immer mehr Schulden aufzuhäufen. Sie beschimpfen heute gar die Gläubiger und Kreditgeber, weil man ihnen zu viel Geld geliehen habe, mehr als sie je brauchten. Und das Zuvielgezahlte müssten sie nun auch wieder zurückzahlen! (Heiliges Santorini! Schon wieder so ein Krater! Die Stoßdämpfer ächzen...) Wie kann ich mir das alles nur erklären? Ich versuche jetzt mal, die Problematik auf mein schlichtes Verständnis „runterzubrechen“:

Mir geht’s einigermaßen gut, nicht zuletzt deshalb, weil ich bisher wenige bis gar keine Steuern zahle, einen sicheren Job in der staatlichen Verwaltung und eine überschaubare Anhäufung von Schulden habe. Und plötzlich, gänzlich unerwartet, kommt’s dicke: Jetzt soll ich Steuern und noch flugs meine Schulden zurück zahlen, nur, weil es der Wirtschaft nicht mehr so gut geht, die Banken in der Krise sind und der Staat Rücklagen hätte, die er noch nie hatte. Was kann ich denn dafür?! Nun soll’s mir an den Kragen gehen? Sparen soll ich sogar! Ja, wovon denn? Ich verdiene doch nur noch die Hälfte, mein Job ist gefährdet, nein, wird sogar sicher gekündigt! Um mich abzusichern, mit oder ohne Job, muss der Staat weitere Schulden machen. Ja, was ist das denn? Noch mehr Schulden, um Schulden abzubezahlen? Soll ich etwa Schulden machen (natürlich mit Verzinsung), um meine Schulden bezahlen zu können? Da reibt sich doch jeder oder jede Beschäftigte in Schuldenberatungsstellen die Hände. Deren Job wäre für ewig gesichert! Und zwar so was von gesichert!! (Was für ein Fehler, dass ich mich nicht schon lange dort beworben habe!)

Das Modell kann doch nicht funktionieren: Schulden machen, um Schulden zu bezahlen soll heißen: Mir geht's schlechter, damit es mir besser geht? So viele Hausaufgaben kann ich gar nicht machen, um das zu begreifen. Da will ich aber lieber schnell sozialistisch wählen - Revolution!

Und dann mit einer Hand (oder Faust?) in der Tasche gewichtige Leute unhöflich verabschieden oder begrüßen? Entschuldigend bescheinigt der griechische Finanzminister den Griechen eine Sucht nach immer mehr Schulden… Sucht er etwa mit der Hand in seiner Tasche nach dem nötigen Geld für die Ent-Schuldung? Sollte er nicht besser in die Taschen der Reichen, zum Beispiel der Reeder, greifen? Oder zum Füllfederhalter, um deren Privilegien zu streichen? Wie raus aus dem Dilemma?

 "Wenn Griechenland pleitegeht, dann bekommt niemand etwas wieder, auch nicht die Deutschen", drohte unlängst George Katrougalos, Vize-Innenminister seines Landes, unserer BILD-Zeitung. Ja, wenn das nicht mal ‘ne krachend klare Ansage ist…! Das ist also der gute Weg, auf dem sich Griechenland befindet? Erst Schulden machen bis es kracht und dann fordern, die Gläubiger (letztlich auch die Steuerzahler in unserem Land) mögen sich entweder mit einem Minimum an Rückzahlung zufrieden geben (und weiter wie die Doofen durch ihre Schlaglöcher fahren) - oder eben ganz auf Rückzahlung verzichten ...

PATSCH!  - So geht Comic.